Fränkische Frauenpower

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Echte Powerfrau: Krenweib-Statue in Baiersdorf.

Echte Powerfrau: Krenweib-Statue in Baiersdorf.

„Früher ham‘ wir den Kren noch von Tür zu Tür getragen und verkauft“, murmelt eine ältere Dame im Vorbeigehen. Ich stehe vor einem Regal im Supermarkts meines Vertrauens und halte mich leicht konsterniert an einem Glas Schamel Meerrettich fest. Die alten Damen und ihr „Früher“, denke ich. Und bin dann doch neugierig.

Zugegeben, in Zeiten von Tiefkühl-Zustelldiensten und Online-Lieferanten ist der Abverkauf von Lebensmitteln an der Haustür nichts Besonderes mehr. Dass noch bis Ende des 20. Jahrhunderts Frauen jeder Altersklasse mit einem Korb voller Krenstangen, Tee und Gewürzen von Haus zu Haus zogen und ihre Ware feilboten, ist dann doch etwas bemerkenswerter. Zimperlich durften die Krenweiber nicht sein. Bei Wind und Wetter bahnten sie sich bereits im ausklingenden 19. Jahrhundert schwer bepackt mit ihren Huckelkörben den Weg durch eher ländlich geprägte Gebiete – und das zumeist im Herbst und Winter. Schon von weitem zu erkennen waren sie – ähnlich wie die heutigen Mitarbeiter einschlägiger Pizzalieferdienste – an ihrer bunten Arbeitstracht.

Irgendwann wurden die Krenweiber sesshaft. Das Hausieren hängten sie – eine nach der anderen – an den Nagel. Weil tagsüber immer weniger Menschen zuhause anzutreffen sind, stagnierte die dynamische Verkaufskultur. Stattdessen steuerten sie alsdann einschlägige Märkte in Bayern und ganz Deutschland an. Ich kann es verstehen: Warum sich einen abschleppen, wenn die Leute auch zu einem kommen? So manches Krenweib entpuppte sich dort als echte Marketing-Expertin. „Kren macht scheen“, auf Hochdeutsch „Meerrettich macht schön“, soll eine Parole gelautet haben, mit der Meerrettich beispielsweise auf dem Viktualienmarkt angepriesen wurde.

Den Krenweibern ist es indes so ergangen wie der VHS-Kassette, dem Walkman und dem australischen Beutelwolf. Sie sind Geschichte. In Vergessenheit geraten diese fränkischen Powerfrauen jedoch nicht. Sie gehören zur Region wie der Kren, den sie einst verkauften. In Baiersdorf erinnert nicht zuletzt eine hübsche kleine Statue an diese ganz besondere Zunft.