Ein Jahr im Zeichen des Marathon

23. August – Sebastian Fahsold zieht das Smartphone aus der Oberarmhalterung und wirft einen demütigen Blick auf den Kilometerzähler: Vierzig Kilometer. Schon wieder Extrarunden. Mittlerweile regnet es seit Stunden im Kaisergebirge. Entlang der Ritzaualm geht es jetzt ein paar hundert Meter hin und her. Wenige Minuten später ertönt Jubel vom Balkon der Nachbarhütte. Sichtlich erleichtert nimmt Sebastian erneut das mobile Telefon in die Hand und stoppt die Trackingapp. Geschafft – der 34. Marathon im Jahr 2021 ist vollbracht. Diesmal mit zusätzlich 3000 Höhenmetern.

52-in-52-Challenge

Seit Jahresbeginn stellt sich der 36-jährige Erlanger vom Team Schamel Running einer langwierigen Herausforderung: Die 52-in-52-Challenge. In 52 Wochen will Sebastian 52 Marathonläufe absolvieren. Die Rechnung ist im Gegensatz zum Vorhaben ein Kinderspiel: Ein Jahr lang jede Woche ein Lauf über mindestens 42,195 Kilometer.

Es sähe dem mittelfränkischen Ultraläufer gar nicht gleich, wenn er es der simplen Formel gleich tun würde. Anstatt stoisch Woche für Woche kontinuierlich einen Marathon zu laufen, startet Sebastian mit der 7/7-Challenge fulminant in das Jahr 2021 und sorgt mit sieben Marathon binnen einer Woche bereits in Kalenderwoche zwei für eine Sensation. Buchstäblich im Vorbeilaufen macht der Familienvater den ersten Haken in der Liste der ewigen Wanna-Dos seiner Laufprojekte.

Eine Laufsaison geprägt von 42,195 Kilometer

In den darauffolgenden Monaten eignet sich Sebastian immer wieder einen Wochenrhythmus an, verwirft diesen wieder, liefert am Osterwochenende gar drei Marathonläufe in Folge und verschafft sich so einen Puffer sowie die Möglichkeit ein paar Tage zu ruhen. Im Rahmen der “Alpe Adria Adventure – Lauf für Anni” läuft Sebastian mit den Teamkollegen Stefan Meyer und Johannes Hendel 84,4 Kilometer über den Markgrafenweg von Erlangen nach Bayreuth und sichert sich mit einem Doppelmarathon in Kalenderwoche 25 den 26. und 27. Marathon.

Mit scheinbar endloser Kraft führt Sebastian die Challenge sogar im Wettkampfmodus fort. Im Rahmen des Großglockner Ultratrail scheint der Doppelmarathon auf der 110 Kilometer langen Strecke abermals sicher. Doch am Abend vor dem Rennen muss der Veranstalter wetterbedingt die Strecke auf 80 Kilometer verkürzen. Extrarunden. Der Zieleinlauf bleibt symbolisch dem Rennen am Großglockner zugehörig, nicht aber für Sebastians Traum von 52 Marathon innerhalb eines Jahres. Und so dreht der Team Schamel Athlet abermals Runde um Runde. „Den Fehler, wegen ein paar fehlenden Kilometern keinen weiteren Haken setzen zu können, habe ich schon einmal gemacht. Das passiert mir nicht noch einmal„, erzählt Sebastian und lächelt. Dass bei Marathon Nummer 31 und 32 wieder mal etliche tausend Höhenmeter dazu kommen, findet der Ultratrailläufer dabei nicht hinderlich: „Die 7/7-Challenge war vor allem hart, weil ich jeden Marathon von der Haustüre aus gestartet habe. Ich liebe abwechslungsreiches Laufen, am liebsten in den Bergen, wenn es hoch hinaus geht.

Therapeutische Unterstützung

Sebastians mentale Stärke scheint unerschöpflich, seine Einstellung immer positiv. Auch die physische Schaffenskraft des menschlichen Körpers sei nicht zu unterschätzen und durchaus für einige hohe Belastungen gemacht, so Udhay Kumar, Physiotherapeut des Team Schamel. Wichtig sei, dass die Ernährung, die physische und psychische Komponente sowie ein Team miteinander arbeiten. „Es heißt ja nicht zu unrecht: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg„, ergänzt der erfahrene Sporttherapeut.

Bei aller Begeisterung und Respekt vor der sportlichen Leistung, sieht der Erlanger Sportenthusiast auch Schattenseiten des extremen Laufprojekts: „Leistungssport, wie er auf dieser Ebene betrieben wird, ist natürlich nie gesund„, mahnt Kumar zur Vorsicht. Um ein derart hohes Niveau aufrecht zu erhalten, seien unter anderem adäquates Training mit genügend Ruhephasen sowie die Kombination aus einer gesunden und abwechslungsreichen Ernährung eine wichtige Voraussetzung, erläutert Kumar.

Voraussetzungen, die bei Sebastian trotz seiner unkonventionellen Art durchaus gegeben sind. „Anfangs bin ich noch regelmäßig zwei bis drei weitere Trainingseinheiten pro Woche gelaufen, doch nach und nach merke ich, dass ich immer mehr Ruhetage einbauen muss„, erzählt Sebastian, der die notwendige Ruhe häufig im heimischen Garten findet. Dort gewinnt der gebürtige Erlanger auch einen Teil seiner Ernährung. Vor fast einem Jahr hat der gelernte Koch auf eine vegetarische Ernährung umgestellt.

Doch trotz besonderem Augenmerk auf Regeneration und Ernährung hinterlässt das Marathonprojekt körperlich Spuren, die bislang jedoch mit weiteren Ruhetagen gut auskuriert werden konnten. „Nach dem 7/7-Marathon im Januar, musste ich über zwei Wochen aufgrund einer Achillessehnenreizung pausieren„, erinnert sich Sebastian.

Das sei nicht ungewöhnlich – vielmehr typisch. „Angefangen bei strukturellen Verletzungen, wie Entzündungen der Knochenhaut oder der Achillessehne, Bänderverletzungen oder muskuläre Verletzungen, kann es auch zu starken Störungen in der Homöostase kommen„, erklärt der betreuende Physiotherapeut und ergänzt: „Dann können Störungen im Herzkreislaufsystem und dem Stoffwechselsystem auftreten, die zu dauerhaften, irreparablen Schäden und im Worst Case sogar zum Tod führen können.“ Dieses Risiko ließe sich frühzeitig durch das Ernstnehmen von Körpersignalen und einer regelmäßigen physiotherapeutischen Behandlung umgehen.
„Die Physiotherapie, mit ihren unterschiedlichen Anwendungen, unter anderem der klassischen Massage, der Krankengymnastik oder der Manuellen Therapie, gibt einen positiven Support, um solche Belastungen vorzubereiten oder auch begleitend Verletzungen vorzubeugen„, so Kumar. Darüber hinaus empfiehlt der Referent des Deutsch Olympischen Sportbundes (DOSB) eine langfristige Zusammenarbeit zwischen Therapeut und Athlet. „Die gemeinsame Körperarbeit kann ein solches Projekt unterstützen und zum Erfolg begleiten„, ergänzt Udhay Kumar. Doch ist damit natürlich nicht der Erfolg von vornherein gebucht. „Wenn ich in meiner Befundung klare Kontrainindikationen feststelle, das heißt eingeschränkte, schmerzhafte Bewegungen vorhanden sind oder ein weiterer Marathon fatale und gefährliche körperliche Folgen haben könnte, dann sehe ich mich in der Verantwortung “Stop” zu sagen und den Athleten einem qualifizierten Sportarzt- oder Orthopäden vorzustellen.

Das wichtigste Accessoire

Doch soweit muss es nicht kommen. “Viele Probleme und Verletzungen entstehen durch den falschen oder einen nicht passenden Schuh”, weiß Heimo Fischer, Inhaber des Run and Hike in Erlangen. 2200 Kilometer wird Sebastian alleine durch 52 Marathon zurücklegen. Hinzu kommen Trainings- und Wettkampfkilometer “on top” und am Jahresende in Summe vermutlich über 3000 Kilometer. In der Regel müsse man einen Laufschuh spätestens nach 1000 Kilometer wechseln – im Trailbereich, wo das Material auf schroffen Stein trifft, sogar häufiger, erklärt der Laufschuhexperte und fährt fort: “Das Material verschleißt. Ein Laufschuh ist nicht für die Ewigkeit entwickelt und wird gerade im Ultratrailrunning stark in Mitleidenschaft gezogen.” Neben körperlicher und mentaler Fitness ist das Schuhwerk das wichtigste Accessoires der 52-in-52-Challenge. “Wenn Sebastian in den Laden kommt, brauchen wir keine Laufbandanalyse mehr durchzuführen. Mein Team kennt die Athleten des Team Schamel sehr gut und kann sofort passende Modelle der favorisierten Marken anbieten”, so Fischer. Egal welche Art Marathonlauf Sebastian angeht, bei Run and Hike ist der Name Programm: Mit einem breiten Schuhangebot liefert Run and Hike beinahe für jeden Untergrund und Anlass das passende Schuhwerk und unterstützt auf materieller Art.

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Nur eine Handvoll Menschen

Sollte Sebastian im Dezember tatsächlich den 52. Marathon laufen, schreibt er Geschichte mit einer einzigartigen Leistung. Das beeindruckt auch Matthias Schamel, Geschäftsführer bei Schamel Meerrettich und Hauptsponsor des Team Schamel Running. “Solche Leistungen sind kaum in Worte zu fassen. Jeder, der mal einen Marathon gelaufen ist, weiß wie anspruchsvoll ein Marathonlauf ist und wie viel Vorbereitung dafür nötig ist.”, bewundert Schamel. Sportliche Höchstleistungen sind dem mittelfränkischen Unternehmer nicht fremd. Doch macht sich in Schamel eine besondere Faszination für die 52-in-52-Challenge breit. “Die wenigsten Menschen sind oder werden in ihrem Leben einen Marathon laufen, ein Bruchteil der Menschen werden insgesamt 52 Marathon in ihrem Leben laufen. 52 Marathon in einem Jahr – das grenzt an Wahnsinn – damit katapultiert sich Sebastian in eine Liga, in der kaum mehr als eine Handvoll Menschen dieser Welt mitspielen”, erklärt Matthias Schamel seine Faszination. Dass Sebastian längst regional zum prägenden Gesicht des Team Schamel geworden ist, überrascht Schamel nicht. Authentisch, bodenständig, sympathisch und mit herausragender Leistung gibt Fahsold das wieder, wofür Schamel Meerrettich seit 175 Jahren steht. “Er ist ein perfekter Markenbotschafter, wie ihn sich viele Unternehmen wünschen: Regional verwurzelt, dynamisch, geerdet und liefert immer top Qualität”, schwärmt der sportbegeisterte Sponsor.

Extreme sportliche Höchstleistungen fernab dem Fußball werden immer populärer und salonfähiger – nicht zuletzt aufgrund sozialer Medien und des österreichischen Energydrinkherstellers. Doch das Team Schamel Running geht seinen ganz eigenen Weg. “Seit der Gründung des Team Schamel Running hat sich eine ganz eigene Dynamik und Motivation aus dem Team heraus entwickelt. So kam es zunächst zur Spezialisierung und Fokus auf das Ultratrailrunning. Die Jungs und Mädels brennen für die Berge. Jeder im Team kann sich zu 100% damit identifizieren. Das führt dazu, dass aus eigener Motivation heraus neue Ideen entstehen und immer wieder neue Grenzen ausgelotet werden. Ich finde es bemerkenswert welch tolle Aktionen und Projekte seither entstanden sind. Noch mehr bin ich gespannt darauf was kommt und drücke Sebastian von Woche zu Woche die Daumen, dass sich sein Traum von 52 Marathon innerhalb eines Jahres verwirklicht.”, so Schamel.

(Nur) noch 16 mal

Bis dahin sind jedoch noch einige Marathonläufe zu absolvieren. „Wie auch schon beim 7/7-Marathon, können wir uns bis der letzte Meter gemacht ist nicht sicher sein„, mahnt Johannes Hendel, Teamkapitän des Team Schamel Running zur Rationalität. Es sei eine extreme körperliche und mentale Belastung, die ein sehr hohes Verletzungsrisiko mit sich führe, erklärt der ausgebildete Fachtrainer für Ausdauersport und ergänzt: “Auch eine einfache Erkältung kann das Projekt gefährden.

Am ersten Septemberwochenende zeigen die Schweizer Alpen Sebastian die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit auf. Im 100km/6500hm-Rennen der Ultratour Monte Rosa muss Fahsold nach 70 Kilometer aussteigen. “Schon nach 60 Kilometer lag ich minutenlang auf dem Boden und habe mehrmals erbrochen. Zwar konnte ich mich noch weitere zehn Kilometer bis zur nächsten Hütte schleppen, musste dort dann aber aussteigen”, schildert Sebastian. Ein Tiefschlag? Keineswegs – denn in der 35. Kalenderwoche liegt der Ultraläufer mit sechsunddreißig gelaufenen Marathon gut im Plan. Noch 16 mal 42,195 Kilometer. Halte durch, Sebastian!