Bergsport in neuen Dimensionen: Neuzugang Florian Troeger im Interview
Von Ultratrails, 100 Milern über Etappenläufe und Klettertouren bis zu Expeditionen auf die höchsten Berge der Welt: Mit dem gebürtigen und in Forchheim lebenden Florian Troeger @florian_troeger_run_and_climb verpflichtet das Team Schamel Running einen Ultratrailläufer und Bergsportler in neuen Dimensionen. Wie der 41-jährige zum Bergsport kam und was ihn antreibt, lest ihr im persönlichen Interview.
>> Hi Flo! Erstmal herzlich willkommen im Team Schamel.
Hi zusammen, vielen Dank, ich freue mich sehr nun ein Teil des Team Schamel zu sein. Über was wollen wir sprechen? 🙂
>> Im Oktober 2020 liefst du beim JUT Trailrace 66 Hand in Hand mit Peter Dietz und Team Schamel Kollegen Sebastian Fahsold über die Ziellinie. Ein toller Moment – eine gemeinsam erarbeitete Teamleistung. Wurden schon da die ersten Weichen für deinen heutigen Beitritt gestellt? Oder wie kamst du letztlich zu Team Schamel?
Tatsächlich wurden die Weichen schon lange vorher gestellt. Das Team Schamel, insbesondere Sebastian und ich kennen uns von vielen regionalen Läufen schon länger. Auch weil wir in einem ähnlichen Leistungsniveau unterwegs sind. Es gab auch immer wieder private Läufe in der Fränkischen Schweiz. Der gemeinsame Zieleinlauf auf Platz 1 war also nur ein weiterer Schritt.
>> Dann war es wohl nur eine Frage der Zeit bist du ins Team rückst. Dein Profil passt scheinbar perfekt in das Team-Konzept. Gleichzeitig gibst du eine riesige Portion an Erfahrung und Performance ins Team. Aber wie kamst du eigentlich zum Ultratrailrunning?
In jungen Jahren habe ich Fußball gespielt. Später als Jugendlicher habe ich meine ersten Erfahrungen als Hobbyläufer gemacht. Mein Vater war auch Kletterer und als kleiner Junge wurde ich von meinen Eltern auch schon ein bisschen in die Berge „geschleppt“. In meinen frühen Zwanzigern fing ich dann mit klassischem Bergsteigen, zunächst mit Klettersteigen etc. an. Nachdem die Berge immer höher und die Touren in den Bergen immer länger wurden, musste ich an meinen konditionellen Fähigkeiten arbeiten und begann dadurch erneut mit dem Laufen. Auch beim Laufen wurden die Distanzen immer länger. Ganz zufällig bekam ich für den Berlin Marathon 2016 einen Freistart. Noch während dem Zieleinlauf bemerkte ich, dass ich durchaus auch noch weiter und über die Marathondistanz von 42,2 km hinaus laufen könnte. Auf der Suche nach längeren Wettkampfdistanzen bin ich dann schließlich auf Ultratrails gestoßen. Weil ich die Berge liebe, war schnell klar: Das ist die perfekte Kombination – das will ich machen. Über Michael Cipuras Erlebnislaufteam konnte ich Kontakt mit anderen Ultratrailläufern knüpfen, die mich unter ihre Fittiche nahmen. Somit war der Einstieg in den Ultratrailsport gemacht.
>> Im April und Mai warst du zum wiederholten Male auf Expedition im Himalaya. Was genau hast du dort gemacht und hat das noch etwas mit dem Ultrasport zu tun, wie wir ihn kennen und lieben?
Anfang April sind wir, nach einjähriger Verschiebung (Corona) nach Nepal aufgebrochen, um unsere lang geplante „Makalu-Trilogie“ zu machen. Wir haben eine super Tour ausgetüftelt: Trekking von Lukla zum MeraPeak (6500m) und Besteigung Mera Peak, weiter Trekking zum Baruntse (7168 m) und von dort auf den Makalu (8480 m). Es waren also zwei Monate vollgepackt mit Trekking, Bergsteigen und Abenteuer.
Das Extrembergsteigen und das Laufen von Bergultraläufen ergänzt sich sehr gut. Ein Summitpush vom Base Camp an einem Achttausender dauert mit Nutzung der Hochlager mehrere Tage. In dieser Zeit ist man körperlich und mental unter großer Dauerbelastung. Ein Gipfelgang vom letzten Lager kann inkl. Abstieg durchaus 24 Stunden oder länger unter Extrembelastung bedeuten. So ergänzt sich das für mich hervorragend zu 100 Meilen Ultratrails, bei dem Körper und Geist ebenfalls über 30 Stunden unter Dauerbelastung stehen.
>> Dein bedeutendster Moment am Himmelsdach?
Das ist schwierig. Für mich bedeutet eine Expedition eine lange, tolle Zeit voller Abenteuer, beeindruckender Kultur, inspirierender Menschen, unzähligen Erlebnissen und Erfahrungen in atemberaubender Natur. Es gibt ständig unglaublich tolle Momente und Erlebnisse. Sicherlich ist es ein bedeutender Moment auf dem Gipfel eines Achttausender zu stehen, aber tatsächlich habe ich das immer erst wirklich genießen und realisieren können, als ich nach dem Abstieg zurück im Basislager war.
>> Was gibt dir das Besteigen der höchsten Berge der Welt und gibt es auch Grenzen für dich?
Für mich ist das Bergsteigen absolute Freiheit, fernab des „normalen“ Alltags. Es ist für mich hundertprozentiges Abschalten – jedoch gleichzeitig auch extreme mentale Anspannung und körperliche Belastung. Insbesondere weil ich ohne künstlichen Sauerstoff und mit minimaler Sherpa-Unterstützung unterwegs bin. Natürlich gibt es für mich auch Grenzen; und zwar in zweierlei Hinsicht: Es gibt Routen an den hohen Bergen, denen ich technisch nicht gewachsen bin und die ich nicht angehen werde. Und es gibt zum Beispiel den Mount Everest der mich nicht reizt, denn dort sind für mich zu viele Menschen aus – für mich – den falschen Gründen unterwegs und in einem, wie soll ich sagen, touristischem Stil, der nicht meiner Überzeugung entspricht. Aber jeder wie er will, ich muss dort ja nicht hin.
>> Zurück auf trittsicheren Boden: Wie läuft man so erfolgreich 100 Meilen Ultratrails mit etlichen tausend Höhenmetern?
Das muss tatsächlich jeder für sich selbst herausfinden. Bei mir war es viel Training und kontinuierliches Steigern der Wettkampfdistanzen. Man sollte versuchen es langsam anzugehen. Auch hilft es, sich immer wieder bewusst zu machen, dass nach jedem Tief während des Laufens auch ein Hoch folgt. Natürlich gehört auch eine gehörige Portion Willensstärke und Leidensfähigkeit dazu. Das konnte ich während meiner Expeditionen ausreichend trainieren. Zudem hilft mir die Faszination und Leidenschaft für die Berge und dass ich mich an den fantastischen Aussichten erfreuen kann. 😉
>> Kann das jeder oder ist das nur wenigen Menschen in die Wiege gelegt? Und wie bereitet man sich auf so ein Rennen vor?
Ich glaube fast jeder Mensch ist grundsätzlich körperlich in der Lage lange Bergultratrails zu laufen. Irgendwann ist das dann aber hauptsächlich Kopfsache – ich denke, daran scheitert man eher. Wenn man den Wunsch in sich trägt so etwas zu machen, dann sollte man sich das auch zutrauen und kontinuierlich den Umfang steigern. Am Anfang kann man sich eine gewisse Distanz nicht vorstellen, dann schafft man diese irgendwann, später noch mehr, denkt zurück und schmunzelt über sich selbst. Es ist eben perspektivisch und die Perspektive lässt sich sehr schnell verschieben.
Ich laufe das ganze Jahr über auch längere Distanzen im Training, ohne mich speziell auf einen Wettkampf vorzubereiten. Eineinhalb bis zwei Wochen vor einem Wettkampf fahre ich mein Laufpensum deutlich runter. Bestmöglich ausgeruht an den Start zu gehen ist ein Teil der Vorbereitung und halte ich neben dem vielen Training als entscheidend.
>> Du erklärst das Finish beim SwissPeaks 170 im Jahr 2020 als einen deiner größten Ultratrailerfolge. Erzähl uns, was macht den Erfolg für dich so bedeutsam und wie lief das Rennen für dich?
Bis dahin war der Hundertmeiler mein längster Lauf, den ich zusätzlich als erster Deutscher ins Ziel laufen konnte. Der 170km-Trail durch die Walliser Alpen war technisch anspruchsvoller als ich dachte, teilweise waren sogar die Hände am Fels im Einsatz. Die Berge und Natur der Walliser Alpen ist einfach fantastisch und gehört sicherlich zu meinen Favoriten in den Alpen. Während dieses Laufs sind mir so viele Dinge passiert: Ich hatte erstmalig mit Krämpfen in den Beinen zu kämpfen – und das schon relativ früh im Rennen. Das bekam ich mit Hilfe andere Läufer, die mir Salztabletten und positiven Zuspruch spendeten, wieder in den Griff. Ich wurde in der Nacht über ein paar Stunden durch einen Hund begleitet, der mich auf einer Scharte mitten in der Wildnis aufgabelte. Ich hatte zum Ende hin Halluzinationen und sah Stelzenartisten im Wald. Die erste Halluzination hatte mich noch erschreckt, dann konnte ich gut drüber lachen. Eine lange Zeit bin ich mit einem französischen Läufer gelaufen und wir haben uns gegenseitig über unserer Tiefs geholfen. Ohne die Traillauf-Community wäre ich nicht ins Ziel gekommen. Es ist schön, mit so vielen tollen Menschen aus aller Herren Länder lauf zu dürfen. Ich liebe es, vor und nach dem Lauf mit so verschiedenen und doch gleichen Menschen zu sprechen, sich auszutauschen und miteinander zu lachen.
>> Das passt zu Dir. Also steht neben sportlichen Erfolgen und atemberaubender Abenteuer das menschliche Miteinander im Vordergrund?
Absolut, das ist mit das Wichtigste, sowohl beim Expeditionsbergsteigen als auch bei den langen Bergultras. In einer internationalen Truppe gemeinsam eine super Zeit auf tollen Trails zu erleben ist einfach schön. Es ist großartig mit Leuten aus der ganzen Welt Zeit in so familiärer Atmosphäre zu verbringen. Ganz weit oben steht die Hilfsbereitschaft und das Miteinander. Gemeinsame Team-Erlebnisse sind für mich genauso schön wie sportliche Erfolge. Freude ist eben größer, wenn man sie teilt.
>> Das Team Schamel Running hat sich in den vergangenen 1 ½ Jahren deutlich positioniert und dem Trailrunning, überwiegend auf der Ultradistanz verschrieben. Da ergänzt du natürlich perfekt. Auf den Strava-Profilen von Anke, Stefan, Sebastian und Johannes findet man dennoch immer wieder methodisches Tempotraining auf flachen Strecken und selten auch Wettkampfteilnahmen bei klassischen Straßenläufen. Ist das auch etwas für dich oder tendierst du da eher zu Anni, die ausschließlich in den Bergen trainiert?
Ich tendiere da eher zu Anni. Ab und zu mach ich für mich im Flachen mal einen Tempolauf. Kürzlich bin ich zum Beispiel bei Sommerhitze einen schnelleren Halbmarathon in knapp 90 Minuten gelaufen. In den Bergen kann ich leider nicht regelmäßig trainieren, weil es bei uns keine wirklich hohen Berge gibt. Aber ich habe in den meisten Läufen auf unseren wunderschönen heimischen Trails einige Höhenmeter drin. Klassische Straßenläufe reizen mich eigentlich nicht mehr, ich finde das Laufen in der Natur auf abwechslungsreichen Trails einfach viel attraktiver. Spätestens nach dem Taubertal 100 (Flo erreichte nach 08:54:09 als Fünfter das Ziel) reizt mich das nicht mehr. Für mich ist das zu monoton. Aber: you never know…
>> Dein sportliches Leistungsprofil ist beeindruckend und auch interessant für andere Teams und Sponsoren. Warum hast du dich für das Team Schamel entschieden?
Die Entscheidung war einfach. Zum einen ist das Team Schamel nicht unbekannt und zum anderen engagiert sich Schamel Meerrettich schon lange und immer mehr im und für den Sport. Gut finde ich auch, dass es bei Schamel Sports nicht nur ums Laufen geht, sondern auch Sportler aus anderen Sportarten mit dabei sind. Nicht zuletzt kennen und mögen wir uns ja schon länger. Was mich dann endgültig überzeugt hat, ist die Ausrichtung auf den Trailsport, in dem ich mich ja so wohl fühle. Zudem passt das Leistungsniveau des Team Schamel auch sehr gut zu meinem Niveau. Es ist also von vorne bis hinten stimmig. 🙂
>> Mit Schamel Meerrettich als Namensgeber und Hauptsponsor würde man nicht sofort auf Ultratrailrunning kommen. Zwischen deinem Wohnort Forchheim und dem Schamel-Unternehmenssitz sind es gerade mal 8km. Wie passt Schamel zum Trailsport und wie stehst du zum fränkischen Superfood, dem Meerrettich?
Na klar ist es einfach super, dass Schamel gleich bei mir um die Ecke ist. Mir ist die Regionalität in allen Belangen sehr wichtig. Schamel Meerrettich ist mir seit ich denken kann ein Begriff und schon seit langer Zeit immer Bestandteil meines Kühlschrankinhalts. Rettich und Meerrettich ist einfach lecker, super gesund und mit Schamel auch noch regional und sogar in Bio-Qualität erhältlich. Durch das Willkommensgeschenk konnte ich noch ein paar neue Sorten von Schamel probieren und ich muss gestehen, ich habe noch nie zuvor so schnell ein Glas Meerrettich wie letzte Woche geleert. Das Glas Sahne-Meerrettich mit Feige war nach drei Tagen leer. Meerrettich ist lecker, vielseitig einsetzbar und zudem super gesund. Meerrettich passt nicht nur gut zum Trailsport sondern auch ganz wunderbar zu unseren vielen heimischen Bieren. 😉
>> Lass uns gemeinsam noch vorne blicken: Was steht 2021 für dich auf dem Plan und was sind deine langfristigen Pläne?
Ich werde diese Woche, Anfang August beim KAT100 auf der 90 Kilometer Strecke erstmalig für unser Team Schamel in Fieberbrunn/Österreich starten. Ich freue mich sehr, dass ich bei meinem Debüt auch Johannes und Stefan sehen werde, die den 60km-Trail laufen.
Anfang September bin ich dann beim UTMR 175km, über die nächste 100 Meilen Distanz am Start. Außerdem ist für dieses Jahr noch der heimische JUT fest im Kalender verankert, ein noch kleiner aber feiner Einladungslauf in der wunderschönen Fränkischen Schweiz. Im November geht’s dann zum Kinitrail ins Allgäu. Für nächstes Jahr habe ich bisher nur den Transgrancanaria grob ins Auge gefasst und eventuell die erneute Teilnahme am Transalpinrun. Bergsteigerisch werde ich in den nächsten Jahren etwas kürzer treten und mich auf den Ultratrailsport konzentrieren.
>> Das klingt nach einem Programm voller Ultratrails. Neulich konntest du zur Größenprobe einen Trikotsatz des Teamausstatters Karpos testen. Welche Bedeutung hat für dich die Partnerschaft mit dem Spezialisten für Bergsport und machen die ausgefeilten Bekleidungskonzepte und die Qualität wirklich den Unterschied auf den Ultratrails?
Wir können uns sehr glücklich schätzen, dass wir mit Karpos einen absoluten Experten an Bord haben. Ich konnte mittlerweile schon einiges testen und bin von der Qualität total überzeugt. Qualität ist gleichermaßen wie Passgenauigkeit, Gewicht und verstaubare Größe ein entscheidendes Kriterium bei Bergultraläufen. Umso länger der Wettkampf, desto länger die Pflichtausrüstungsliste. Da kommt einiges zusammen und man führt sogar im Sommer Jacken, Mützen, Handschuhe etc. mit sich. Das ist einfach enorm wichtig, denn auch im Sommer kann es oben am Berg schnell zu einem Schneesturm kommen. Für mich persönlich ist es ein echter Glückstreffer, weil Karpos sowohl für unsere Trailläufe, als auch für meine Bergabenteuer ausreichend Erfahrung und Topqualität bietet.
>> Danke Flo, für das interessante Gespräch. Komme gut im Team an, weiterhin viel Spaß am Berg und viel Erfolg bei deinem Team Schamel Debüt in den Kitzbüheler Alpen!
Vielen Dank. Ich bin super froh nun im Team Schamel zu sein und freue mich auf viele gemeinsame Abenteuer mit dem Team. Wir sehen uns auf dem Trail! 😉