Top-Athlet Alexander Westenberger startet für Team Schamel
Mit der Verpflichtung von Alexander Westenberger geht das Team Schamel den nächsten großen Schritt im Ultratrailsport. Nach seinen Erfolgen beim KAT100 und dem Hochkönigman folgten im noch jungen Jahr 2022 beim UTFS sowie beim IATF gleich die nächsten Ultratrail-Siege. Warum diese beeindruckende Siegesserie kein Zufall ist, wie der 26-jährige zum Trailrunning kam und warum er sich keinem vermeintlichen Favoritendruck ausgesetzt fühlt, erfahrt ihr im ausführlichen Interview.
>> Hi Alex! Vielen Dank für deine Zeit und herzlich Willkommen im Team Schamel.
Hallo. Danke für´s Willkommenheißen, ich freue mich wahnsinnig, dieses Jahr für das Team Schamel starten zu dürfen.
>> Lass uns von ganz vorne beginnen: Wie bist du zum Bergsport und im weiteren zum Ultra Trailrunning gekommen?
Meine Eltern haben mich von kindesbeinen an mit in die Berge genommen. So stand ich im zarten Alter von 3 Jahren schon auf Skiern und habe viele Bergwandertouren mit meinen Eltern unternommen.
Mich reizte schon als Kind ans Limit zu gehen und so haben sich für mich die Dimensionen im Bergsport schnell verschoben. Aus dem Wandern wurde das schnelle Bewegen am Berg. Schon im Jugendalter versuchte ich, mit möglichst leichter Ausrüstung Gipfel zu besteigen. Es dauerte nicht lange und ich ging mehrseilige Klettertouren im alpinen Bereich. Der Ursprung des Laufens im Speziellen liegt abermals in meiner Jugend. Damals war ich in der klassichen Leichtathletik mit Schwerpunkt 5.000 und 10.000m Lauf aktiv. Die Laufbahn wurde mir jedoch schnell zu “eindimensional”, sodass ich vielmehr den Reiz darin sah, den Laufsport in die Berge zu übertragen. Die Passion für Ultratrails hat sich nach einigen kürzeren Trailwettkämpfen im Jahr 2015 und 2016 und dann vor allem 2017, beim Zugspitz Ultratrail über die Distanz von 63km und 3000hm entwickelt. Damals bin ich als Rookie am Ende des Teilnehmerfelds gestartet und konnte das Rennen hinter Hannes Namberger und Lukas Sörgel, als Dritter finishen. Das war ein besonderer Moment und der eigentliche Beginn meiner Ultratrail-Karriere.
>> Und das mittlerweile beeindruckend erfolgreich: 2021 hast du in Rolle des „Unbekannten“ brilliert und beim KAT 100 Endurance Trail sowie beim Hochkönigman gesiegt. Wie wichtig waren die beiden Siege für dich persönlich und was hat sich dadurch verändert?
Die beiden Rennen haben mir vor allem gezeigt, dass meine Trainingspläne und die Steuerung aufgeht. Das gab mir persönlich die Rückmeldung, dass ich in der Vorbereitung vieles richtig mache. Solche Arbeitserfolge stärken das Selbstvertrauen und bestätigen mein Kredo: “Wer aufhört an sich zu arbeiten, hört auf besser zu werden. Wer aufhört besser zu werden, hört auf gut zu sein.” Sowohl beim KAT 100 als auch beim Hochkönigman habe ich genau diesen Fortschritt bei der eigenen Leistungsfähigkeit gesehen und aus den Fehlern vorheriger Wettkämpfe, wie dem Zugspitz Ultratrail sowie dem Chiemgau Trail Run gelernt. Das war für mich das Wichtigste.
>> Nach deinen Erfolgen im Jahr 2021 sahen dich die Organisatoren des Ultratrail Fränkische Schweiz, trotz starker Konkurrenz mit Benjamin Bublak und Matthias Krah im Favoritenkreis. Was bedeutet dir der Sieg beim UTFS, der mit 65km/2500hm im Mittelgebirge eigentlich gar nicht deinem gewohnten Terrain entspricht?
Der Sieg bedeutet mir sehr viel, denn es hat gezeigt, dass ich auch auf Strecken performen kann, die mir nicht besonders gut liegen. Die Strecke des UTFS ist geprägt von einem hochfrequentierten, unrhythmischen Gelände, mit sehr vielen kurzen Up- und Downhills. Das liegt mir nicht besonders gut. Doch hat der Sieg auch hier wieder gezeigt, dass ich einen Schritt nach vorne gemacht habe, weil ich in den laufbaren Abschnitten des Trails eine wesentlich höhere Geschwindigkeit laufen konnte, als in den Jahren zuvor. Ich konnte mein absolviertes Training umsetzen und am Ende, so denke ich, einen verdienten Sieg feiern.
>> Absolut! Gerade mal zwei Wochen später hast du dann gleich den nächsten und bislang jüngsten Sieg beim Innsbruck Alpine Trailfestival eingefahren. Ein hart erkämpfter Sieg, über 98km/4500hm, den du dann doch deutlich vor Christian Stern in Ziel bringen konntest, obgleich dir dieser lange und hartnäckig auf den Fersen war. Wie lief für dich das Rennen und wie konntest du Christian auf den letzten Kilometern dann doch noch hinter dir lassen?
Das Rennen war für mich ein richtig anspruchsvoller und harter Wettkampf. Mit Blick auf die Startliste war jedoch schon absehbar, dass richtig starke Ultrarunner am Start sind und es ein sehr schnelles Rennen wird. Schon zu Beginn wurde eine flotte Pace von knapp unter 4 Minuten pro Kilometer gelaufen, da konnte ich gut mithalten und mich mit vorne positionieren. Christian Stern hat jedoch das Tempo auch im Gelände äußerst hoch gehalten, weshalb ich mich zu einem so frühen Zeitpunkt im Rennen dazu entschieden haben, an meinen Plan festzuhalten und in mein eigenes Tempo zu finden. Mit viel Geduld konnte ich auf Christian dann nach der Hälfte der Strecke, bei circa 48km wieder aufschließen und daraus wurde dann ein ziemlich langer Zweikampf. Christian hat das Tempo wahnsinnig hoch gehalten und versucht, mich wieder auf Distanz zu halten. Zum letzten langen Anstieg konnte ich dann von meiner guten Krafteinteilung profitieren. Durch ein schnelleres Handling an der vorletzten Verpflegungsstation startete ich früher auf die Strecke zurück und konnte dadurch einen leichten Vorsprung aufbauen und dann wiederum den Druck auf Christian erhöhen. Für den letzten, 12-Kilometer langen Downhill hatte ich dann noch ausreichend Druck in den Oberschenkeln, um das Rennen für mich zu entscheiden.
>> Eine wirklich beeindruckende Siegesserie. Und das in deinem Alter. Bist du für einen Ultratrailläufer mit 26 Jahren nicht verhältnismäßig jung?
Ich denke, 26 ist durch den Hype der letzten Jahre gar nicht mehr zu einem sehr ungewöhnlichen Alter für den Trail- oder auch den Ultratrailsport geworden. Es gibt mittlerweile doch auch sehr viele junge Athleten, die ganz weit vorne mitspielen und sich, wie auch ich, auf längere Distanzen spezialisiert haben.
>> Was macht Trailrunning zu deiner Lieblingssportart?
Das Trailrunning ist sehr facettenreich und verbindet viele Elemente in sportlicher Sicht. Vom einfachen Laufen in ebenen Passagen, dem schnellen Bewegen im technischen Gelände, mit teilweise langen An- und Abstiegen, bis hin zu Kletterpassagen und das sichere Steigen über Grate bei Skytrails. Da muss man eine vielseitig gute Technik besitzen und stets eine sehr hohe Konzentration aufbringen können, um sich schnell und sicher durch Berglandschaften oder Gebirgsmassive zu bewegen.
Außerdem kann Trailrunning auch so wunderbar verknüpft werden. Zum Beispiel beim Skibergsteigen im Frühsommer. Bis zum Zustieg wird die Strecke mit dem Trailschuh bewältigt, um dann, bei erreichter Schneegrenze auf die Skier zu wechseln und den Gipfel zu besteigen. Der Rückweg erfolgt dann in umgekehrter Reihenfolge – erst Ski und dann wieder Trailschuh.
>> Stichwort Skibergsteigen: Ein Blick auf deinen Instagram-Account verrät, du bist ganzjährig am Berg. Im Winter auf Skiern, im Sommer in Trailschuhen und auch gerne mal am Seil. Ist der Berg der gemeinsame Nenner deiner sportlichen Aktivitäten?
Komplett. Berge sind meine Leidenschaft. Vom klassischen Bergsteigen, Hochtouren, Skihochtouren, Klettern und Eisklettern bis zum Rennradeln am Berg und natürlich das Traillaufen. Es geht immer darum, draußen in der Natur zu sein, die Natur wahrzunehmen, Witterungsverhältnisse zu erleben und genießen können. Der Berg strahlt für mich Ruhe aus und bildet eine ganz wichtige Konstante in meinem Leben. Egal was drumherum passiert, die Berge sind immer da. Der Berg steht für mich als Alpinist immer im Fokus.
>> Apropos Leidenschaft Berge: Neulich warst du bei einem von Flo Troeger´s Bildvorträgen, seiner letzten Himalaya-Expidition, beim Versuch den Makalu (8485m) zu besteigen. Reizt dich so etwas auch? Oder sind spätestens dort für dich Grenzen erreicht?
Da geht mein Bergsteigerherz auf – das reizt mich definitiv. Mein höchster Gipfel war bisher der Mont Blanc, den ich drei Mal als Tagestour bestiegen habe.
In die Höhe gehen und anspruchsvolle Gipfel erklimmen reizt mich sehr, jedoch fehlt für das Höhenbergsteigen schlichtweg die Zeit. Die Vorbereitungen, allen voran in punkto der Akklimatisierung sind für einen Berg wie den Mont Blanc nicht so weitreichend, wie bei Gipfeln jenseits der 7000m-Grenze. Zudem fehlt mir hierfür auch noch die Erfahrung, aber die muss man eben sammeln, vielleicht mal bei einem ersten einfachen Siebentausender. Das stelle ich mir als traumhafte, aber auch äußerst harte Erfahrung vor.
>> Deine Leistungsfähigkeit und Ambition spricht sich nun schnell herum. Dann wirst du vermehrt im Favoritenkreis an den Start gehen. Erzeugt das bei dir Druck? Und wie gehst du damit um?
Bei Ultratrails, egal ob 60, 120 und 170km, kann alles passieren. Wenn man sich die größten Rennen wie UTMB, Western States, Hard Rock 100 oder Großglockner Ultratrail ansieht, dann ist eigentlich immer alles möglich. Vermeintliche Favoriten können sich verletzen oder haben einen schlechten Tag und dann gewinnt eben jemand anderes, der möglicherweise nicht hoch-favorisiert war. Bei Wettkämpfen mache ich mir – wenn überhaupt – den Druck selbst, versuche aber keinen Druck von außen zuzulassen. Wenn man dann doch mal stärker mit dem eigenen Druck und der Nervosität konfrontiert ist, sollte man sich auf seine eigenen Fähigkeiten konzentrieren, die Strecke nochmal gedanklich durchgehen und auf das vergangene Training, das bis weit in den vergangenen Winter hinein reicht, zurückzublicken. Das Wichtigste ist in diesen Momenten, sich auf sich selbst zu konzentrieren und auf die jahrelang erarbeiteten Fähigkeiten zu vertrauen. Immer positiv und mit Kampfgeist.
Natürlich ist es nicht verkehrt, auch mal die Konkurrenz zu betrachten, um den Geist auf den Wettkampf vorzubereiten. Wenn man beispielsweise weiß, dass andere Athleten besonders schnell starten, dann lohnt sich das zu wissen, um in der Startphase bei sich zu bleiben und sich nicht von den Herangehensweisen anderer beeinflussen zu lassen.
>> Dein sportliches Leistungsprofil ist beeindruckend und auch interessant für andere Teams und Sponsoren. Warum hast du dich für das Team Schamel entschieden?
Ich habe mich ganz bewusst für das Team Schamel entschieden, weil dort das Gesamtpaket sehr gut passt. Ein sympathisches Team mit derselben Vorstellung vom Bergsport und idealen Rahmenbedingungen mit bester Unterstützung, durch die Sponsoren und Partner, Schamel Meerrettich, Karpos und Run and Hike.
Es ist wichtig auf ein Team zählen zu können, dass auch in schwierigen Zeiten hinter einem steht, denn die Faktoren Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind nur schwer beeinflussbar. Solche Phasen hat das Team schon einige Male gemeistert, standen auch in schwierigen Zeiten zusammen, haben einander unterstützt und Einzelne aufgefangen. Der Zusammenhalt ist sicher eine außergewöhnliche Stärke des Team Schamel. Zudem herrscht kein permanenter Leistungsdruck oder Erwartungshaltungen – jeder kann sich innerhalb des dynamischen Umfelds frei entfalten und es so angehen, wie es einem gut tut. So erfahren auch Bergprojekte abseits des Wettkampfgeschehen Raum und Unterstützung. Summa summarum ist damit das Team Schamel der absolut richtige Partner für die nächsten Jahre.
>> Ein VP-Helfer des UTFS berichtete, du wärest nicht ansprechbar gewesen, absolut fokussiert, völlig im Tunnel. Wieviel nimmst du bei Rennen tatsächlich von der Atmosphäre und der Umgebung war?
Fokussiert bin ich insbesondere vor dem Start, um bewusst in den Tunnel zu kommen und den innerer Kompass richtig einzustellen. Ab dem Start ist dann Vollgas angesagt und das Absolvieren des Programms, das man sich vorgenommen hat. Ansprechbar bin ich jedoch auf jeden Fall immer, aber doch schon sehr fokussiert, was vielleicht manchmal den Eindruck vermittelt, als wäre ich nicht im Hier und Jetzt.
Das Umfeld nehme ich intensiv war, versuche die Atmosphäre aufzunehmen, da das sehr pushen und auch mal aus einem Tief heraushelfen kann. Ansonsten konzentriere ich mich aber stets auf das was vor mir liegt.
>> Du bist ein akribischer Arbeiter. Manch einer würde dich vielleicht sogar als Pedant, vernarrt in den Trailsport bezeichnen. Der Erfolg gibt dir allerdings recht. Ist dein disziplinierter Umgang in allen Facetten der Weg zum Erfolg?
(Lacht) Ein bisschen verrückt muss man schon sein.
Letztlich möchte ich möglichst wenig dem Zufall überlassen. Gerade bei Rennen die für mich persönlich sehr wichtig sind, bin ich gerne bestmöglich vorbereitet. Deswegen schaue ich mir die einzelnen Wettkampfstrecken mit den Teilpassagen im Vorfeld an und prüfe, wie schnell laufbar sie sind, um den Trail kennenzulernen. Natürlich kann man nicht alles vorhersehen und man muss auch mal spontan reagieren können.
Ich denke, Disziplin ist sehr wichtig, wenn man vorne mitspielen will. Immer am Ball bleiben, konsequent den Trainingsplan durchführen. Natürlich schiebe auch ich mal Einheiten, wenn ich mich nicht gut fühle oder das Wetter nicht passt. Wichtig ist ein langfristiger Plan, der auch mal Ausnahmen erlaubt und ruhige Momente einbringt. Dazu gehören für mich nicht nur Regenerationsphasen sondern auch mal das Abweichen vom Ernährungsplan. Ob der klassische Cheating-Day, mal ein Bier oder ein Glas Weißwein. Das muss bei aller Disziplin schon drin sein, sonst stimmt das Verhältnis nicht mehr.
>> Danke für deine Zeit Alex! Gib uns zuletzt noch eine Vorschau, was steht 2022 bei dir an und welche Ziele willst du erreichen?
Ich habe ein intensives Jahr mit vielen Wettkämpfen vor mir. Nach dem UTFS sowie dem IATF steht als nächstes Ende Juli der Großglockner über 106 km für mich an. Das wird ein sehr technisches, langes und strategisches Rennen. Da muss man mit Kopf an die Sache rangehen.
Anfang September folgt der Torlauf am Dachstein. Ein verhältnismäßig für mich eher kürzerer Lauf über 40km, den ich, in Anbetracht meines Saisonhighlights ruhiger angehen werde. Denn noch im selben Monat starte ich dann beim Adamello Ultra Trail auf der 100 Meilen-Distanz mit rund 11.500hm. Das ist zum Ende der Wettkampfsaison ein richtig anspruchsvoller, langer und sehr harter Wettkampf auf den ich mich sehr freue.
Dazwischen möchte ich noch zwei Projekte realisieren: Zum einen eine “Bike and Hike- Tour” mit Rennrad-Start in Dresden bis nach Heiligenblut am Großglockner, den ich dann am 2. Tag im Trailrunning-Modus besteigen möchte.
Und eine Gletschertour über sechs 3000er-Gipfel im Ötztal, mit einem Umfang von 90 km, mit circa 8000 hm. Bei dieser Runde bewegt man sich permanent zwischen 2000 und 3700 Meter Höhe. Diese möchte ich innerhalb von 24 Stunden am Stück bewältigen.
Und das sollte reichen für dieses Jahr.